Coopetition: Ein bereits totgerittenes Modewort oder sinnvolles Konzept in der Industrie 4.0? Wir haben Jan Kaumanns befragt, warum aus seiner Sicht Konkurrenz und Kooperation nur scheinbar Widersprüche sind. Unser CEO erklärt, wie Sie gemeinsam mit Ihren Wettbewerbern einen Mehrwert für Ihr Geschäft schaffen können.
Jan, kannst Du uns beim Kofferwort Coopetition bitte erst einmal begriffstechnisch abholen?
Jan Kaumanns: Die Vokabel speist sich aus den beiden englischen Wörtern Cooperation und Competition. In der Übertragung ins Deutsche können wir also von einer Art Kooperationswettbewerb oder Koopkurrenz sprechen.
Die Verschmelzung von Wettbewerb und Kooperation: das hört sich nach der Quadratur des Kreises an. Ist so etwas überhaupt machbar?
Jan Kaumanns: Daran glauben wir bei RIO absolut. Wir sehen es in einer digitalisierten Wirtschafts- und damit auch Logistikwelt als das Konzept der Zukunft an. Wenn jeder in seinem Silodenken verharrt, werden viele Herausforderungen des Transportgeschäftes zu Beginn der dritten Dekade unseres Jahrhunderts nicht adäquat gelöst werden.
Sehen Sie die Logistik hier als eine Art Vorreiter für den Kooperationswettbewerb?
Jan Kaumanns: Grundsätzlich wird das Phänomen der voranschreitenden Digitalisierung in allen Branchen, Stichwort Industrie 4.0., zu gravierenden Umwälzungen führen. Die Logistik hinkt bei diesem Thema leider etwas hinterher, da die Logistikbranche sehr komplex ist und es für diese Industrie keine allgemeingültige Lösung gibt. Gerade dann ist es aber wichtig, sich mit den Kunden auszutauschen und individuelle Lösungen zu erschaffen. Und hier sehen wir auch die Berechtigung und den Anspruch von RIO: Wir wollen die unterschiedlichen Beteiligten der Lieferkette miteinander verbinden und Transparenz schaffen. RIO ist offen und RIO ist für alle da.
Ohne das Teilen von relevanten Daten könnten beispielsweise Speditionen und Transportunternehmen in Zukunft abgehängt werden?
Jan Kaumanns: Ja, das ist ein sehr realistisches Szenario. Denn wer nur im eigenen Saft schmort und seine Kapazitäten sowie seine Lösungsideen nicht öffentlich macht, der wird irgendwann den Anschluss verlieren. Hier appellieren wir dringend – gerade auch an die Klein- und Kleinstunternehmen, denen wir den Weg ins Digitalzeitalter ebnen möchten – auf Spezialisten wie uns zuzukommen. Wir geben Auskunft, wo es Potenziale zu heben und Synergien zu schaffen gilt. Es ist einfach nicht sinnvoll, alles in eigenen IT-Systemen zu sammeln. Das kostet zusätzlich Zeit und somit auch Geld.
Hier gilt es sicher zunächst auch eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster aufzubrechen?
Jan Kaumanns: Natürlich ist es nicht einfach, Wettbewerber, die um Marktanteile kämpfen, an einen Tisch zu holen. Aber Überzeugungsarbeit bedurfte es bei der Einführung von Innovationen in der Geschichte immer. Wir machen auch deutlich, dass bestimmte unternehmenseigene Daten – und das geht in Zeiten der DSGVO gar nicht anderes – niemanden außerhalb der Firma und schon gar nicht den Wettbewerber etwas angehen. Aber um das Supply Chain Management in Gänze zu optimieren, muss eine Vielzahl von Informationen geteilt werden. Denn das macht die Suche nach einer besseren Lösung erst möglich.
Wie lebt RIO das Konzept der Coopetition?
Jan Kaumanns: Hier sind vor allem unsere Partner zu nennen, die teilweise auch im Wettbewerb zu uns und zueinander stehen. Sie erkennen, dass es nicht hilft, sich ins eigene Schneckenhaus zu verkriechen und darin eine Nische zu bearbeiten. Ein Beispiel dafür ist WABCO. Das Unternehmen bietet wie wir Telematiklösungen an, ist aber trotzdem als Partnerdienst im RIO Marketplace zu finden. Wir holen uns für jeden Anwendungsfall entlang der Transportkette die passende Lösung auf unsere Plattform. Derzeit sind bereits 37 Partnerservices für unsere Kunden buchbar. Wir müssen nicht alles selbst können. Aber wir müssen wissen, wer es anbietet und den zu uns holen.
Was raten Sie den RIO Kunden? Sollten diese gleich einen Blumengruß zum Wettbewerber schicken?
Jan Kaumanns: Grundsätzlich sind Blumen immer eine sehr nette Geste (lacht). Aber bei Coopetition geht es darum, den Widerspruch aus Konkurrenz und Wettbewerb im Alltag immer wieder neu zu denken. Um Vorteile beim Verkaufen seines Produktes wird immer gekämpft werden, aber wer sich im Digitalzeitalter hinter dicken Mauern versteckt und Plattformlösungen verschmäht, wird mit Sicherheit nicht mitbekommen, wohin die Reise geht.