MAN Truck & Bus verfolgt eine umfassende Digitalisierungsstrategie in der Logistik und setzt dafür seit Anfang 2022 auf die Supply Chain Orchestration Platform der konzerneigenen Digitalmarke RIO. Ziel ist es, Transporte und Materialflüsse durchgehend digital abzubilden und Prozesse effizienter zu steuern.
Montagmorgen, 7:15 Uhr in einem MAN-Werk in München. Auf dem Bildschirm der Disponentin blinkt eine Meldung: Ein Spediteur aus Tschechien informiert digital über eine Verzögerung wegen Schneefalls. Die Disponentin prüft im Control Tower den Einfluss auf die Versorgung – die Produktion bleibt gesichert.
Was wie Zukunftsmusik klingt, ist bei MAN Realität. Möglich macht das eine digitale Lösung, die nicht nur Daten liefert, sondern Entscheidungen beschleunigt. Seit 2022 bringt das SCM-System von RIO Transparenz, Steuerbarkeit und Effizienz auf ein neues Niveau.
Das System bildet den gesamten Transportkreislauf ab - von der Bedarfsplanung bis zur Materialanlieferung. Lieferanten erhalten Vorschläge für Transportaufträge zur termingerechten Erfüllung der Abrufe inklusive Verpackungs- und Versandvorgaben. Speditionen sind direkt eingebunden, Transporte lassen sich durchgängig planen und verfolgen.
„Unser Ziel war es, vollständige Transparenz über Transportflüsse und Materialbewegungen zu schaffen“, sagt Günther Dippon, Abteilungsleiter Inbound Transport bei MAN. Durch digitalisierte Prozesse lassen sich Abweichungen frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen rechtzeitig einleiten.
Anforderungen der OEMs: Mehr als nur Bestellungen
In der Automobilindustrie gehen die Anforderungen an Lieferanten weit über die reine Bestellung hinaus. OEMs wie MAN erwarten vollständige, digital bereitgestellte Informationen zu Aufträgen, Mengen und Lieferterminen.
Das RIO SCM-System unterstützt diese Anforderungen mit einer integrierten Bedarfsübersicht und enger Anbindung an Transportdienstleister. Lieferanten nutzen eine Web-Oberfläche, um Lieferabrufe, Verpackungsvorgaben und Stammdaten zu verwalten sowie Advance Shipping Notes (ASN) und Transportaufträge automatisiert zu erzeugen.
So erfolgen Lieferungen pünktlich und gemäß den spezifischen OEM-Vorgaben nach VDA Standards weitgehend automatisiert. „Lieferanten erhalten eine digitale Steuerung ihrer Prozesse, was die Planung vereinfacht und Rückfragen reduziert“, sagt Projektmanager Axel Ebert. Auch abgeschlossene Transporte lassen sich transparent nachverfolgen.
Agile Entwicklung als Erfolgsfaktor
Das System wurde in enger Zusammenarbeit mit dem VW-Konzern und MAN als „early adopter“ und RIO entwickelt. Agile Methoden ermöglichten es, Anforderungen zügig aufzunehmen und praxisnah umzusetzen. „Die enge Abstimmung mit RIO war entscheidend“, sagt Ebert. MAN profitierte dabei von RIOs Erfahrung in der Integration von Logistikprozessen.
Im Gegensatz zu starren Einzellösungen verfolgt RIO einen Plattform-Ansatz: Lieferanten, Werke und Speditionen sind zentral vernetzt. So konnte MAN bestehende IT-Systeme ablösen und Betriebskosten senken.
Seit Februar 2024 wird das System schrittweise bei Lieferanten und Speditionen eingeführt. Rund 400 Lieferanten und 15 Speditionen sind bereits angebunden und steuern täglich im Durchschnitt 500 Sendungen über die Plattform. Auch die meisten Montagewerke wurden integriert. „Der Rollout verläuft planmäßig“, berichtet Dippon. Als wichtig stellte sich die Bereitschaft der Lieferanten und Speditionen heraus, sich auf die Veränderung einzulassen und in den Change Prozess anfänglich zu investieren. Schlussendlich erhöht die standardisierte Abwicklung die Datenqualität und senkt den Aufwand bei allen Beteiligten.
Im Vergleich zu etablierten Anbietern wie SAP überzeugt RIO mit Flexibilität, Anpassbarkeit und Verständnis für logistische Abläufe. „RIO setzt Anforderungen praxisnah um“, betont Ebert.
Die Einführung des Systems stellte auch Anforderungen an alle Beteiligten. Viele Lieferanten bedienen mehrere Kunden mit unterschiedlichen Systemen und Prozessen – eine Herausforderung für deren Disposition. RIO begegnet dieser Komplexität mit einer extrem nutzerfreundlichen Oberfläche und automatisierten Funktionen, die viele Regeln im Hintergrund abbilden. Das vereinfacht die Anwendung, senkt den Schulungsaufwand signifikant und ermöglicht einen zügigen Einstieg. Der Supportbedarf nimmt ab, und eine größere Zahl von Lieferanten kann parallel eingebunden werden – ein wesentlicher Faktor für den erfolgreichen Rollout.
Weiterer Ausbau geplant
MAN plant, die Digitalisierung der Lieferkette weiter voranzutreiben. Mit der Anbindung weiterer Werke und neuen Funktionalitäten soll die Effizienz nochmals gesteigert werden. „Das SCM-System bildet die Basis für die Digitalisierung unserer logistischen Steuerung“, sagt Dippon. „Diesen Weg setzen wir konsequent fort.“