Wer sich einmauert, könnte verlieren

Open-Source-Ansatz als weiterer Impuls für bessere Logistik

Software-Anwendungen frei zur Verfügung zu stellen, muss nicht bedeuten, dass im Wettbewerb alle Unterscheidungsmerkmale zwischen Firmen verschwinden. Es dürfte aber die Schnittstellenkommunikation verbessern, Einstiegshürden verringern und somit die Vernetzung aller Beteiligten erhöhen. Wie Lieferketten davon profitieren, möchten wir hier kurz skizzieren.

Im 4. Quartal 2021 gründete sich in Deutschland eine Stiftung mit Namen Open Logistics Foundation. Zu den Initiatoren zählten Branchenriesen wie DB Schenker, duisport, Dachser, die BLG Logistics Group und Rhenus. Das ehrgeizige Ziel dahinter: Logistische Prozesse durch De-Facto-Standards zu vereinheitlichen. Das soll aber nicht durch das Einführen von Gesetzen, Richtlinien oder Vorschriften passieren, sondern sich en passant ergeben – und zwar durch Open-Source-Lösungen.

Ein hiesiger Internetanbieter beschreibt Open Source im Übrigen wie folgt: „Hinter dem Begriff ‚Open Source‘ steckt viel mehr als nur Software, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist und von Dritten eingesehen, kopiert oder verändert werden kann. Über die letzten Jahrzehnte hat sich Open Source nämlich auch zu einer Arbeitsweise und einer Bewegung der kollektiven Problemlösung entwickelt.“

Und genau hier sehen die Gründer der Open Logistics Foundation in der Branche noch viel Luft nach oben. Noch herrsche, auch wenn der Trend zu einem Mehr an Digitalisierung und damit einem besseren Datenfluss unverkennbar sei, vielfach Silodenken, in dem sich jahrzehntelange Konkurrenz weiterhin manifestiert. Darunter leiden sowohl die Innovationskraft für die Logistikwelt von Morgen als auch der Datentransfer im Supply Chain Management des Hier und Jetzt, der gerade in Zeiten deutlich strapazierter Lieferketten nötiger denn je ist.

Wechselbeziehung zwischen Kulturwandel, technischen Möglichkeiten und Effizienz

Es erscheint logisch, dass der Aufwand insgesamt höher ist, wenn jeder einzelne Logistikdienstleister seine IT-Übertragungswege zu den Kunden oder seine Live-Sendungsverfolgung beziehungsweise die Prognose von Ankunftszeiten der Transporte (ETA) eigenständig entwickelt, als wenn alle Unternehmen mit derselben Basis „nur“ noch an Feinheiten für ihre jeweiligen Aufträge arbeiten. Nicht zuletzt limitiert ein solch hoher Mitteleinsatz für Innovationen die Partizipation kleinerer und mittlerer Unternehmen, die vielfach nicht über die materiellen und personellen Kapazitäten für solche Initiativen verfügen.

Hier gilt es für die Logistikbranche, sich dem generell zu verzeichnenden Kulturwandel hinsichtlich des Teilens von Ideen und Ressourcen verstärkt anzupassen. Dies braucht aber nicht zum Selbstzweck zu geschehen, sondern soll aufgrund im Digitalzeitalter vorhandenen Technik noch immer brachliegende Effizienzpotenziale in Gemeinschaftsarbeit heben. Jeder kann an bestimmten Anwendungen, die zum Beispiel die Open-Logistics-Foundation-Initiatoren zeitnah veröffentlichen möchten, mitarbeiten und alle profitieren von der sukzessiven Verbesserung durch freien Zugang.

Einzellösungen können zur Sackgasse werden

Die meisten Vorhersagen erwarten dank verbesserter Algorithmen, dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), den Vorteilen der Plattformökonomie sowie der Einbeziehung von Blockchain-Technik und Cloud Computing einen so in der Logistikbranche nie gekannten Datenfluss zwischen den einzelnen Beteiligten einer Lieferkette. Aufgrund der Innovationsgeschwindigkeit scheint absehbar, dass unternehmenseigene Lösungen – so gut diese auch sein mögen – schnell nicht mehr kompatibel mit jenen Kontaktpunkten der anderen Teilnehmer eines Transport- oder Warehousing-Projekts sein dürften.

Der bisherige Spitzenreiter könnte aufgrund gekappter Schnittstellen somit rasch ins Mittelfeld oder an das Ende rutschen, da ihn alle anderen dank ihrer Gemeinschaftsarbeit überholen würden. Der Open-Source-Ansatz bedeutet dabei aber nicht, dass sämtliche Unterschiede zwischen den am Markt konkurrierenden Unternehmen eingeebnet würden, da für die finale Ausgestaltung der einzelnen Kundenbeziehungen genug kreativer Raum bestehen bleibt beziehungsweise durch das Teilen von Basisanwendungen erst wieder sonst gebundene Kapazitäten urbar gemacht werden. Es dürfte aber firmenübergreifend allgemein um einen zentralen Aspekt gehen, den der Vorsitzende des Kuratoriums der Open Logistics Foundation, Prof. Dr. Dr. h. c. Michael ten Hompel, in einem Gespräch mit einem Logistik-Blog folgendermaßen zusammenfasst: „Es geht darum, die Absprunghöhe in die Digitalisierung zu erhöhen, denn die Komplexität, die auf uns zu kommt mit KI und prädiktiven Algorithmen als Basis in datenbasierten Geschäftsmodellen, unterschätzen viele noch ganz erheblich.“

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